Save the Date 8. 11. Quatuor Danel

Am Mittwoch, den 8. 11. spielen die unvergleichlichen Danels mein 2. Streichquartett um 20:00 Uhr in der Alfred Schnittke Akademie in der Max Brauer Allee 24 zusammen mit dem 1. Streichquartett von M. Weinberg und dem 2. Streichquartett von Schostakowitsch. 

Mein zweites Streichquartett steht in der modernen Tradition, wie sie von Alban Berg und Bela Bartók vertreten wird.

Von Alban Berg habe ich den sprachlichen Gestus der melodischen Figuren im Kontext einer freien Tonalität übernommen. Von Bela Bartok habe ich gelernt, mit einem strengen rhythmischen Puls zu komponieren, der Akzentuierungen im On- und Offbeat-Bereich erzeugt.

Ich erfinde die Form einer Komposition immer wieder neu und halte mich nicht an ein vorgegebenes Format. So wie der Architekt nicht mehr darauf angewiesen ist, ein Haus mit einem Satteldach zu bauen, sondern jede erdenkliche Form in Beton gießen lassen kann, treffe ich grundlegende Entscheidungen über die innovative Formgestaltung. Mein Werk ist einsätzig, aber in diesem einen Satz greifen verschiedene schnelle und langsame Tempi ineinander.

Während im 18. und 19. Jahrhundert die zeitliche Struktur durch harmonische Kadenzen und Modulationen geschaffen wurde, spielt für mich die Dialektik von tonal-atonal als Mittel zur Spannungssteigerung und Beruhigung eine wichtige Rolle. Die Dialektik von Passagen, die einen hör- und spürbaren Puls haben, und anderen, die frei in der Zeit schweben, stellt ein weiteres wesentliches Gestaltungselement dar. Befreit von den Zwängen harmonischer Kadenzierung, kann ich den Fluss der Zeit frei gestalten. Die Musik gräbt ihr Flussbett in der Zeit, wie es die dort entstehenden Energien erfordern.

Die thematische Grundlage der Komposition sind athematische Klangstrukturen. Gleich zu Beginn hören wir eine clusterartige Schichtung von Klängen, die sich plötzlich in alle Richtungen aufwickelt. Es scheint, als würde man die Fäden eines Wollknäuels aus vier Farben herausziehen. Eine andere Struktur würde ich als 'Klangaggregat' bezeichnen. Es ist, als wären die Klänge Moleküle, die in einem statischen Zustand ruhen können, aber wenn sie einem hohen Energieniveau ausgesetzt werden, beginnen sie zu hüpfen und zu tanzen. Sie entwickeln sich schließlich zu Melodien die in allen vier Stimmen thematisch verarbeitet werden und zu dem dialogischen Prinzip führen, das für mich die Grundlage jeder Quartettkomposition darstellt  

Am Ende kehrt die Musik dorthin zurück, wo sie herkommt. Auf diese Weise schließt sich die Form, nicht im Sinne einer räumlichen Symmetrie, sondern in einem zyklischen Zeitkonzept, das sich in die Offenheit hineinschraubt. 

 

Das zweite Streichquartett wurde 2004 für das Quatuor Danel geschrieben und in Hamburg uraufgeführt. Die Danels hatten bereits im Jahr 2000 mein erstes Streichquartett uraufgeführt und das einzigartige Zusammenspiel der vier Musiker, die ich persönlich gut kenne, hat mich inspiriert.

Pop, Pop-Art, Pop-Art music

Wenn wir auf die sechziger Jahre zurückschauen, dann werden wir sie verknüpfen mit dem goldenen Zeitalter der Popmusik. In nur sieben Jahren spielte eine Band eine Schlüsselrolle im Musik Business: die Beatles. Warum war das, was damals musikalisch geschah so einmalig und unwiederholbar? Musik ist eine von der Zeit abhängige Kunst. Die sechziger Jahre waren deshalb ein idealer Humusboden für musikalische Kreativität, da es  sich um Jahre der Hoffnung und des Aufbruch handelte. Die Vergangenheit war düster nach zwei Weltkriegen und 60 Millionen Toten. Umso mehr dürstete die junge Generation danach, in der Zukunft zu leben. Diese Zukunft versprach utopische Paradiese. Zunächst waren diese Paradiese materieller Art. Waschmaschinen, Fernseher, Automobile, Flugzeuge und nicht zuletzt Schallplatte erzeugten einen neuen Wohlstand der nicht nur ein paar happy Few von Besserverdienenden und Superreichen, sondern nun die gesamte Mittelklasse der Gesellschaft erfasste. Was hat das mit Musik zu tun? Wohlstand und Freiheit und die Suche nach Glück sind treibende Kräfte für musikalische Kreativität. So ist die Geschichte der Beatles auch eine Geschichte von Aufsteigern. Insbesondere Paul McCartney gehört zu denjenigen, die aus dem heruntergekommenem Kohle Distrikt Englands zum Multimillionär und geadelten Sir McCartney wurden und das einzig und allein Dank seiner Kreativität. Die Beatles sind kreative Class. Und ihre Kreativität befeuert eine Milliarden schwere Kreativindustrie. So sind ihre Lieder von Liebe der Treibstoff für die Hoffnung auf eine neue auf eine bessere Welt. Ich habe das 1987 in meinem Buch Popmusik Wirkung und Ästhetik die Suche nach einer begehrten Botschaft genannt. Die musikalischen Botschaften der Beatles weisen in die Zukunft. Sie sind eingekleidet in einem Sound, der den Arbeitnehmer wegträgt. Weg von seinen Sorgen, weg von seiner Engel, hin zu einem neuen entspannten Lebensgefühl von kosmischen Dimension.

Ich habe von 1972 bis 1981 Klavier, Komposition, Musikethnologie und Musikwissenschaften studiert. Also bin ich von der Praxis zur Theorie fortgeschritten und ich habe dabei eine interessante Beobachtung gemacht. Während meines Klavierstudiums saß ich viele Stunden täglich am Klavier und übte und übte. Dabei wollten gewisse Dinge nicht so funktionieren wie ich mir das vorgestellt habe, also übte ich noch mehr und das führte zu keinem guten Ergebnis. Nach meiner künstlerischen Reifeprüfung übte ich kaum noch Klavier und war umso mehr mit dem Komponieren und Forschen beschäftigt. Es trat dabei ein mysteriöses Phänomen auf: auch ohne zu üben machte ich pianistische Fortschritte. Wie ist das zu erklären? die neurophysiologische Erforschung des Gehirns wird dazu vielleicht später interessante Erkenntnisse bieten. Ich glaube, dass alles im Gehirn miteinander verbunden ist und dass die intellektuelle Tätigkeit des Nachdenkens zu einer Weiterentwicklung der Persönlichkeit führt, die wiederum für die motorischen Prozesse des Klavierspielens förderlich ist. wenn wir also Musik studieren, dann sollten wir keine Angst vor den sogenannten Nebenfächern haben. Diese Fächer bringen eine künstlerische Begabung manchmal viel weiter, als unter Musikern allgemein angenommen wird. Ich selber wäre dafür ein lebendiger Beweis

Warum kulturelle Innovationsforschung für die Entwicklung von Kunst und Kultur nützlich sein kann

Kultur, Wirtschaft und Politik, wie interagieren diese Kommunikations- und Aktionssysteme untereinander? In der Kulturgeschichtsschreibung der Europäer kommen wirtschaftliche Überlegungen kaum zum Tragen. Das 19. Jahrhundert, das die Musikgeschichte und Kunstgeschichte erfunden und rekonstruiert hat, legte Wert darauf, die Verbindung zum Wirtschaftsleben zu vertuschen oder gar zu leugnen. Und das aus gutem Grund: Mit der industriellen Revolution begann das Wirtschaftsleben exponentiell zu wachsen und die neuen Reproduktionstechnologien Photographie, Schallplatte, Kunstdruck brachte eine Ästhetik des Kitsches hervor, die sich in der rasch wachsenden Gesellschaft von Großstädtern gewinnbringend verkaufen ließ. Das rief die  Apologeten der Hochkultur auf den Plan, die nun daran arbeiteten, den schönen Künsten den Nimbus einer säkularen Religion zu erschaffen. Mit Erfolg. Richard Wagner ist vielleicht mit seiner Konzeption des Gesamtkunstwerkes, durch das die Menschheit geläutert wird, einer der Cheftheoretiker dieser neuen Kunstreligion. Nachdem Wagner im freien Markt gescheitert war, entwickelte er sein eigenes Format mit den Bühnenfestspielen in Bayreuth, finanziert von Ludwig II. Ab jetzt löst sich das Kunstgeschehen vom Marktgeschehen und die Politik übernimmt die Schirmherrschaft, die jahrhundertelang die Aristokratie ausgeübt hatte. Im 20. Jh verkündete dann Theodor Adorno das unwiderufliche Schisma zwischen hoher und niedriger Kunstausübung. Während sich die Popularmusik zu einem milliardenschweren Wirtschaftszweig weiter entwickelte, zog sich die musikalische Avantgarde ins Private zurück. Schönberg und seine Schüler Berg und Webern gründeten den Verein für musikalische Privataufführungen, das Modell für alle Aktivitäten der Neuen Musik im 20/21. Jh. L'art pour l'art und nicht "give the public what it wants". Das 3. Modell nämlich die politische Propagandakunst wie sie vom Nationalsozialismus und im stalinistischen Kommunismus propagiert wurde, scheiterte und führte dazu, dass in Deutschland die Freiheit der Kunst von politischer oder wirtschaftlicher Einflussnahme im Grundgesetz verankert wurde. Seitdem ist die sogenannte Hochkultur auf staatliche Unterstützung angewiesen. In allen wohlhabenderen Nationen Europas wird Kunst und Kultur als meritorisches Gut angesehen und untersteht dem besonderen Schutz des Staates. Allen voran die Kulturnation Frankreich mit einem Kulturetat von 11,2 Mrd €. Deutschland mit seiner föderalen Kulturförderung gibt eine vergleichbar hohe Summe für seine Kulturtempel, wie Museen, Theater, Konzerthäuser, Orchester und Opernhäuser aus. Damit ist die Kulturproduktion dem freien Marktgeschehen enthoben, wie es durchaus noch bis ins 18. Jh der Fall war. Die freien Künstler im Barockzeitalter waren auch tüchtige Kulturunternehmer wie Peter Paul Rubens oder Georg Friedrich Händel. Heute erleben wir die rein wirtschaftlich orientierten Märkte der Kreativwirtschaft wie Film- Musical und Popularmusik oder eine an innovativer Ästhetik orientierten Expertenmarkt, der zu 90% vom Staat finanziert wird. In den USA ist Kunst- und Kulturförderung Privatangelegenheit. Als multikulturelles Einwanderungsland sollte jede Bevölkerungsgruppe ihre eigene Kultur und Religion ausüben uns pflegen können. Dafür gab es dann einen unbegrenzte Möglichkeiten, dieses finanzielle Engagement von der Steuer abzusetzen. Es ist kein Zufall, dass es in den USA zu einer Koevolution von europäischer und person of colour Kulturen kam wie im Blus, Jazz, Rock oder Soul. Aber auch in der bildenden Kunst kam es zu der Annährung zwischen Kreativwirtschaft und schönen Künsten. Andy Warhol war zunächst Werbegrafiker bis er in das Fach der "schönen Künste" wechselte. Die Koevolution dieser beiden Märkte hat Michael Hutter in seinem Buch: Ernste Spiele- der Aufstieg des ästhetischen Kapitalismus aufgezeigt. Popart setzte neue ästhetische Standards, indem die Kitschästhetik der Populärkultur durch kunstgeschichtliche Referenzen veredelt wurde. Boris Groys hat das in seinem Essay "Über das Neue - Versuch einer Kulturökonomie" sehr überzeugend dargestellt: Ästhetische Innovationen entstehen u. a. in der profanen Alltagskultur, die dann durch kunstgeschichtliche Referenzbildung in den Kanon der Kunstgeschichte aufgenommen wird und einen sakralen Status erhält. In der Musikgeschichte sind solche Transfererfolge seltener anzutreffen. Die Welt der klassisch-romantischen Musik genügt sich selber und hat wenig Bedürfnis nach Innovation. Das innovative Element findet eher in der neuen Interpretation eines Standartwerkes statt, als in der Neugier nach neuen Werken wie es zur Zeit des Barock oder der Klassik selbstverständlich war. Barockopern wurden am laufenden Bande produziert und verschwanden so schnell von den Bühnen wie sie kreiert worden waren. Heute bringen Ensembles für Neue Musik 1,7 Uraufführungen zustande, von denen die Wenigsten noch einmal aufgeführt werden. Diese werden aber meistens ausschließlich von einem Expertenpublikum rezipiert. Ein Transfer zu Klassikszene findet kaum statt. Die Hörgewohnheiten der breiten Bevölkerung werden aber durch die Hörerziehung der Popularmusik bestimmt und die Aufnahmefähigkeit komplexer musikalischer Strukturen nimmt eher ab als zu. Da bleibt nur noch die dahinschmelzende Klientel der traditionalistischen Bildungsbürger. Die Zukunft liegt aber  in einer Musikkultur, die das ganze kreative Potential von Avantgarde, Jazz, Weltmusik und Popmelodik ausschöpft und es in die Komplexität der Formstruktur klassisch-romantischer Musik einfließen lässt, eine Jahrhundertaufgabe!